9.9.06

BC


Calgary stellte eine Wende dar – kaum die Stadt hinter uns sahen wir erstmals seit Ewigkeiten wieder Berge am Horizont. Die Rockies, welch erhebendes (im wahrsten Sinne des Wortes) Gefühl! Nun kann Bilbo endlich zeigen, was er drauf hat. Als alter Alpentiger lässt er hier so manchen großen Brummer hinter sich.

Landschaftlich fühlt man sich an Tirol erinnert – schneebedeckte Berge, Gletscher.

Banff, von dem viele so schwärmen, enttäuscht uns. Der Ort sehr Schicki-micki, im Winter sicher das Kitzbühel Canadas. Der Nationalpark schön, aber laut. Das Tal ist so eng, dass nicht nur der Highway sondern viel mehr noch die Eisenbahn dafür sorgen, dass man sich wundert, wie es bei dem Lärm hier Bären und sonstiges Getier freiwillig aushalten.

In Canyon Hot Spring dann zwar immer noch Zuglärm, dafür aber heiße Quellen. Welch herrliches Gefühl, im 40° heißen Pool zu sitzen, Blick auf die Berge, Sonne und Wind im Gesicht.

Am Weg zum Beaver Lake Resort bei Winfield besuchen wir einen "enchanted Forest". Ein Ehepaar hat hier einen Märchenwald geschaffen, entzückend kitschig. Die Buben sind begeistert, erforschen jedes Häuschen, wir fahren Ruderboot (Jacob rudert!), besteigen ein Baumhaus, lernen einige englische Reime und Geschichten kennen, die uns unbekannt waren. Am Campingplatz dann Hochbetrieb, Labor Day Weekend, aber die Jungs stört das kaum, sie sitzen eh die meiste Zeit bei den Hasen. Arme Viecher, werden von allen Kindern herumgetragen, kopfüber gehalten, zu Pyramiden gestapelt. Die sind sicher auch froh, wenn die Schule wieder los geht! Abends gibt es dann sogar noch ein kleines Feuerwerk und Jacob und Finn beginnen nun sogar, mit anderen Kindern versuchsweise englisch zu reden.

Montag dann Kelowna. Die Stadt liegt in einem nach Süden offenen Tal, hier ist es von Mai bis September über 25° warm und regnet kaum. Es gibt Obstplantagen, Weinbau. Es gibt auch viel Rauch, denn in den USA tobt ein Waldbrand, der erst im Oktober (!) aus sein wird, und der Rauch zieht das Tal herauf. Wir treffen uns mit einer Homeschooling Familie aus Deutschland, die im Frühjahr hierher gezogen sind. Die Buben verstehen sich prächtig mit Julian und wir bleiben sogar noch zum persischen Essen, das einfach herrlich schmeckt.

Da es dann schon zu spät ist um noch weit zu fahren übernachten wir in der Nähe von Kelowna und fahren erst Dienstag weiter nach Merritt. Merritt, muss man wissen, ist das Countrymusic Capital von Canada (oder war's der Welt??). Die einzige Musik die uns dort begleitet ist der rhythmische Lärm der Pulp-Fabrik. Der halbe Ort ist geschlossen, anscheinend hat das am Labor Weekend stattgefundene Rodeo alle so geschafft, dass sie auch Mittwoch früh noch nicht aufsperren können. Es hat über 30° aber wir entdecken einen Wasserspielplatz, den die Buben sofort erobern. In vollem Gewand. Als das nass ist, ziehen sie es aus und machen in der Unterhose weiter. Wir sind die einzigen dort, also stört es die prüden Canadier nicht…

Weiter durch die Berge. Die Landschaft wechselt zu ausgetrocknet, an Nevada oder Südspanien erinnernd. Berge die wirken wie Sanddünen, dazwischen ein paar mühsam der Trockenheit abgetrotzte Grünfeldchen. Dies ist Indianerland, typisch. Als Reservat kann man den Indianern ja schließlich kein Land geben, mit dem sich etwas anfangen ließe… Die Landschaft hat eine eigene Faszination (Gerhard und den Jungs gefällt es, Cowboyland), aber auch eine gewisse Trostlosigkeit (finde ich). Das Tal ist auch hier nicht breit, dennoch gibt es auf jeder Seite Bahngeleise. Stereo, quasi. Weil es sind zwei verschiedene Railroad Companies, und da kann man sich nicht die Gleise teilen… (staatliche Betriebe haben doch auch Vorteile gegenüber der Privatisierung…)

Wir biegen nach Süden ab, ändern mal wieder unsere Route und nähern uns nun Vancouver nicht von Norden, sondern von Osten. In Hope machen wir Halt. Auch Hope ein berühmter Ort, das "Hollywood des Nordens". Jaja, hier wurde Rambo gedreht! (und zugegebener Weise auch ein paar andere Filme). Am Wochenende ist hier ein großes Lokalfestival, mit Demolition Derby, Pancake Breakfast, Feuerwerk, Kinderprogramm und Parade. Deswegen sind wir hier, denn so ein richtiges Kleinstadtfestival, das müssen wir mal erleben. Und ein paar Tage "Sesshaftigkeit" tun uns auch mal wieder gut. Bilbo putzen, ihm einen Ölwechsel spendieren, innerlich ein wenig zur Ruhe kommen und Canada "aufarbeiten". Denn von hier ist es nicht mehr weit in die USA. Vancouver, vielleicht auch noch ein wenig westlich davon (es gibt eine Strasse die Küste entlang, aber von vielen Fährenstücken unterbrochen. Müssen uns erst informieren, ob es dort schön ist), und dann sind wir eigentlich schon am Weg über die Grenze.

Jacob sagt: die Reise gefällt mir echt gut. Heute hat mich eine Dame auf Englisch gefragt, ob ich nicht in die Schule gehe und ich hab gesagt "no, homeschool". Das Essen (hier im INternetcafe) schmeckt gut. Und ich freu mich auf das Demolition Derby.

Finn sagt: irgendwas mit jumpen und Motorrads. Das Feuerwerk war laut.